Warum uns dieses Thema mehr beschäftigen sollte

 

Wie schön und einfach war die Welt, als es darum ging immer schneller und größer zu werden? Als Quantitäten das alleinige Maß der Dinge und Wachstum das Allheilmittel der Wirtschaft waren? Schwer ist es, das erlernte Denksystem zu verlassen.

Heutzutage sind Wissen und Informationen zum Kapital unserer Gesellschaft geworden. Auch unsere Technologien werden immer intelligenter. Um unser Potenzial zu steigern, versuchen wir die uns zur Verfügung stehende Informationen zu maximieren.

Die Rede ist von IoT, Industrie 4.0 & Co. Der vielversprechenden Vision einer digitalen Welt, welche sich in der Realität nur schwer einwandfrei umsetzen lässt. Jeder spricht darüber, doch noch funktioniert nichts zu 100 Prozent.

 Das Problem: mit steigender Datenmenge- und vernetzung, nimmt die Komplexität der Systeme in gleichem Maße zu. Was in der Theorie verheißungsvoll aussieht, erweist sich in der Praxis oftmals als größere Herausforderung. Die zu transportierenden Datenmengen bzw. die dafür notwendigen Prozesse werden immer umfangreicher, Störanfälligkeiten erhöhen sich und die Energieineffizienz von Geräten und Rechenzentren steigt ebenfalls permanent.

Somit seien die Fragen erlaubt: Werden unsere Systeme mit zunehmender Komplexität und steigendem Datenvolumen wirklich sinnvoller, effektiver, effizienter, gar nachhaltiger? Und welche Auswirkungen entstehen dabei auf unsere Gesellschaft und unserer Umwelt?

 

Drei Gründe, warum uns das Thema digitale Nachhaltigkeit durch Komplexitätsreduktion mehr beschäftigen sollte:

 

1. Energieverbrauch

Ungeachtet ob im Privatleben oder im Unternehmen. Die Informationen, die wir meinen zu benötigen werden immer mehr. Doch der gesammelte Datenberg enthält eine Menge nutzlosen Ballast. Da diese Informationen dennoch in viele Prozesse miteinbezogen werden, verbrauchen unsere Systeme unnotwendige Mengen an Rechnerleistungen und Energie. Sie werden nicht nur langsamer, sondern auch umweltunfreundlicher.

 Eine Studie des Borderstep Institutes aus dem Jahr 2018 zeigt, dass der Energiebedarf deutscher Rechenzentren stetig zunimmt. Der Verbrauch der ca. 2,3 Millionen Server in Deutschland stieg von 10,5 Mrd. kWh in 2010 auf 12,4 Mrd. kWh in 2017. 12,4 Mrd. kWh entsprechen ungefähr dem erzeugten Strom in Georgien im Jahr 2016. Die Studie zeigt ebenfalls, dass sich der auf Datenspeicherung entfallende Anteil am Energiebedarf stetig erhöht. Und diese Angaben beziehen sich nur auf Deutschland und auch nur auf die Rechenzentren! Bei den schieren Massen an Endgeräten wird der Energieverbrauch noch um ein Vielfaches höher sein.

 

2. Ressourcenverschwendung

Enorm verkürzte Produktlebenszyklen von Technologien sind zur Normalität unseres Alltags geworden. Das gilt insbesondere für neue Smartphones, Tablets und Laptops.

Was bei unserer Begeisterung für neue Technologien gerne außer Acht gelassen wird, ist dass aufgrund steigender Produktfähigkeiten und Datenvolumen die Hardware zunehmend komplexer und kurzlebiger wird. Folglich nimmt unser Verbrauch schwer entsorgbarer Hardware stetig zu.

Dem Global E-waste Monitor 2017 zufolge wurden im Jahr 2016 weltweit 44,7 Millionen Tonnen Elektroschrott produziert, was ungefähr dem Gewicht von 4.500 Eiffeltürmen entspricht – Tendenz steigend!

Betrachten wir die Entwicklungen unter den Cradle to Cradle (C2C) Aspekten, so bedarf es den Problembereich „Nachhaltigkeit“ neu zu gewichten. Es liegt dabei in unserer Verantwortung, die Produktentwicklung im Hinblick auf aufgewendeten Produktionsenergien, Verwendung seltene Werkstoffe, logistischen- und Verpackungsaufwand sowie der Entsorgungsproblematik von elektronischem Schrott völlig neu und angemessen zu denken.

 

3. Systemrisiken

Bei der Anschaffung Smarter Devices, ist die Frage „Was bzw. wie viel kann das Gerät?“ ein maßgeblicher Aspekt der Entscheidungsfindung. Ungeachtet, ob jegliche Anwendungsmöglichkeiten letztendlich benötigt werden oder nicht. Doch ist dies eine intelligente Art und Weise Kaufentscheidungen zu fällen?

Mehr Systemfähigkeiten bedeuten gleichzeitig eine höhere Komplexität und damit einhergehend eine höhere Störanfälligkeit, ein erhöhtes Risko von Sicherheitslücken und somit eine gesteigerte Unzuverlässigkeit von Geräten. In Zeiten, in denen wir auf digitale Mittel angewiesen sind, stellt diese Unzuverlässigkeit ein zunehmendes Risiko für uns dar.

 

Schlussfolgerung: Qualität vor Quantität

Wir geraten schnell in Begeisterung für neue Technologien, dem breiten Spektrum an Anwendungsmöglichkeiten und verfallen dabei dem augenscheinlichen Reiz an Möglichkeiten.

Es ist an der Zeit unser Verhalten zu ändern, denn zukünftig werden der verantwortungsbewusste Umgang mit Komplexität, das Besinnen auf das Sinnvolle, das Relevante und nicht nur auf das technisch Machbare die Grundstoffe unserer effizienten sowie nachhaltigsten Wissensgesellschaft sein.

 

Verfasser: Prof. Elmar Schüller, Anna-Lena Seher