Neue LebensFormen für unsere Gesellschaft im Wandel

 

Der Drang in die Städte nimmt zu. Angesichts dessen sollten wir uns die Frage stellen, wie wir in Zukunft wohnen und arbeiten werden. Demografischer Wandel, steigende Immobilienpreise in den Ballungsräumen, strengere Umweltauflagen und nicht zuletzt neue Familienstrukturen zwingen Architekten wie Städteplaner, Käufer wie Hersteller schon heute zum Umdenken.

Global wird die Bevölkerung noch bis 2030 weiterwachsen und es werden eine Milliarde neue Wohneinheiten benötigt. Laut UN-Habitat leben allein in Südasien 400 Millionen Stadtbewohner in kritisch überbelegten Wohnungen. Laut der Studie „Die Macht langfristiger Trends – Demographie, Globalisierung, Klimawandel“ wohnen allein in der Metropolregion Tokio 35,7 Millionen Menschen mit einer Bevölkerungsdichte von 14.400 Einwohnern pro Quadratkilometer. Doch betrachtet man die Situation in Japan, so führt dieser Verdichtungsdruck dort nicht etwa zum Kollaps. Die Situation wird als Chance wahrgenommen, um neue Gegenwartsarchitektur und damit neue Lebens- und Wohnformen zu entwickeln. So entstehen völlig neue Märkte für neue Produkte.

Doch auch in der westlichen Welt zeichnet sich aufgrund knapper werdender Ressourcen ein Ende des europäischen und amerikanischen Vorortmodells ab. Phänomene, die unsere Städte und Gesellschaft betreffen, sind einerseits eine alternde Gesellschaft mit nicht mehr gleichen räumlichen und finanziellen Ressourcen und andererseits die Entwicklung einer Gesellschaft in der die klassische Familie nicht mehr die Mehrheit bildet.

 

Die bisherigen Auslegungen unseres Lebensmodells …

… sind die beiden Grundtypen der Architektur: Wohnung und Haus. Die erste Phase beginnt mit dem Singledasein im Einzimmerapartment. Es folgt die Phase des Studiums bzw. der Ausbildung, anschließend die Gründung einer klassischen Kleinfamilie mit Haus auf dem Land, in der Stadt oder der Großstadtwohnung. Dann folgt eine weitere Phase, wenn die Kinder ausgezogen, Haus und Garten zu groß und zum Hindernis geworden sind. Ganz am Schluss folgt dann häufig wieder das Singledasein, oftmals wird in dieser Phase auch noch eine persönliche Pflege notwendig.

Häuser für ein veraltetes Lebensmodell

Das klassische deutsche Haus reflektiert nach wie vor die Idee der Kleinfamilie. Ganz im Gegensatz zur neuen japanischen Architektur der postfamiliäreren Community. Diese geht nämlich schon heute vorbildlich mit den veränderten gesellschaftlichen Bedingungen um. Sie bildet anstelle von abgetrennten Räumen mit Wänden und Türen fließende Wohnlandschaften. Somit werden die sozialen Zonen des Hauses neu definiert. Das Haus wird somit zum sozialen Ort für gemeinsames Essen, Spielen, Erzählen und Diskutieren. Eine weitere Wohnqualität liegt in der Rückzugsmöglichkeit. Für diese widerstreitenden Bedürfnisse muss die Wohnung Lösungen bieten – nicht zuletzt angemessen flexible Einrichtungsprodukte.

Was wir daraus lernen können, …

… ist, dass wir die Wohnräume buchstäblich neu erfinden müssen. Sie müssen wandelbarer sein, einen Kernbereich des Intimen und Privaten schützen und gleichzeitig eine neue Form von Gastfreundlichkeit ermöglichen. Denn viele Singles und ältere Menschen wünschen sich Wohnformen, in denen sie privat sein können. Ihr Wunsch ist es, in einem idealen größeren, familienähnlichen Verbund als Gemeinschaft leben zu können.

 

Nachhaltigkeit …

… bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Immobilie mit den Bedürfnissen der Menschen in ihren verschiedenen Lebenssituationen und -zyklen mitwächst. Diese gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und gestalterischen Herausforderungen sind so grundlegend, komplex und vielschichtig, dass wir sie nicht den einzelnen Disziplinen überlassen können.

Gefordert ist eine interdisziplinäre Herangehensweise, mit der wir die Chance ergreifen, wirkliche Innovationen zu schaffen, ohne die Menschen dabei zu vernachlässigen. Erst wenn wir die Menschen in ihren einzelnen Lebensphasen mit ihren wechselnden Bedürfnissen verstehen lernen, werden wir für angemessenen Produkte erschaffen und gestalten können – für die Menschen und nicht an ihnen vorbei.

 

Verfasser: Prof. Elmar Schüller, Initiator und Gründer des Innovative Living Institutes